Gemeinschaftlich Wohnen als Alleinerziehende

15. November 2019 Lesezeit: Lebensstile
Franziska Jahnke hat als junge alleinerziehende Mutter einige Erfahrungen in Gemeinschaft gesammelt. Nach der Trennung führt sie ihr Weg zusammen mit ihrem Sohn zu mehreren Gemeinschaftshöfen in Europa. Einer hat ihr besonders gut gefallen. Jetzt ist sie auf der Suche nach einem passenden Gemeinschaftsprojekt in Deutschland.

Interview mit Franziska Jahnke

Karin Demming: Franziska, Du lebst seit ein paar Jahren wieder in Deiner Heimat Herzberg. Zuvor hattest Du in Berlin und Biberach gelebt. 

Was waren Deine Beweggründe wieder in Deine alte Heimat zurückzukehren?

Ich bin Anfang 2015, kurz vor der Geburt meines kleinen Sohnes Janosch in meine Heimatstadt Herzberg zurückgekehrt, zuvor lebte ich in Biberach in Baden-Württemberg, studiert habe ich in Berlin. Meine Schwangerschaft verlief recht schwierig und ich wollte näher bei Familie und Freunden sein. Zudem hatte mein damaliger Freund, Janoschs Papa, sich in Baden-Württemberg überhaupt nicht wohlgefühlt. 

Wie ist es wieder zurückzusein und hast Du gleich Anschluss gefunden?

Das ist sehr ambivalent für mich. Einerseits mag ich meine Heimatstadt sehr, schätze das Vertraute, Bekannte, andererseits fühle ich mich auch immer etwas beengt und empfinde schon nach kurzer Zeit wieder Fernweh. Wieder Anschluss zu finden war leicht, denn einige sehr gute Freunde leben noch oder wieder hier. Als wir jedoch eine vorübergehende Unterkunft suchten, mussten wir feststellen, dass dies schwieriger ist, als gedacht. Die Menschen haben zwar alle große Häuser (und durch Auszug der Kinder sogar oft Zimmer frei), aber sie wollen gerne für sich sein – kurzzeitiges oder gar längerfristiges Zusammenleben mit mehreren Familien scheint hier ein sehr fremder Gedanke zu sein. 

Im Oktober 2016 (Janosch war anderthalb Jahre alt) trennte sich sein Papa von uns und das Alleinerziehen stellte mich vor große Herausforderungen. Unsere gemeinsamen Pläne, in ein Wohnprojekt oder eine Kommune zu ziehen, rückten für mich zunächst einmal in den Hintergrund. Glücklicherweise war meine Wohnsituation sehr gut - ich wohnte mit einer anderen Alleinerziehenden in lockerer Hofgemeinschaft und bekam außerdem viel Hilfe vom diakonischen Werk. Trotzdem war es sehr schwer. Meine Eltern arbeiteten beide in Vollzeit, ich ebenfalls – so blieb kaum Zeit für mich, geschweige denn für Gemeinschaftsprojekt-Pläne.

Im Frühling 2018 fühlte ich mich bereit, meine Zukunftsträume wieder anzupacken. Zusammen mit einem Freund plante ich ein Wwoofing-Jahr in Skandinavien, dass wir im Sommer 2018 starteten. Ich wollte nicht nur mehr Zeit mit meinem Kind verbringen, Land und Leute kennenlernen und befriedigendere Arbeit auf Biohöfen und in Familien haben, sondern auch endlich das Leben in Gemeinschaft für mich erproben. Insgesamt lebte ich in 6 Familien in Norwegen und Schweden und anschließend für fast ein halbes Jahr in einer großen Kommune in Südportugal. Diese Erfahrungen haben mich unglaublich bereichert und mich in dem Wunsch, dauerhaft in Gemeinschaft zu leben bestärkt. Seit diesem Sommer bin ich auf der Suche nach einer Gemeinschaft in Deutschland. Aufgrund des Kindergartenplatzes lebe ich zunächst wieder in Herzberg, sonst wäre ich gerne in eine größere Stadt gezogen – Leipzig oder Erfurt.

Warum möchtest Du gemeinschaftlich wohnen?

Ich fühle mich schon immer wohl unter Menschen. Alleine wohnen, alleine essen, viel alleine sein, das ist nichts für mich. Als ich alleinerziehend wurde, habe ich zum ersten Mal alleine gewohnt und auch in dieser Zeit habe ich sehr regelmäßig Freunde zu mir eingeladen. Ich bin recht unkompliziert und kann mich gut auf andere einstellen, bin gerne im Austausch mit anderen und genieße die Nähe zu Mitbewohnern, auch wenn alle ihren eigenen Beschäftigungen nachgehen.

Das Zusammenleben ist in meinen Augen die natürliche Lebensform des Menschen. Seit der Steinzeit und bis in die jüngste Vergangenheit lebten wir in Gemeinschaften, die Vereinzelung ist ein Phänomen unserer heutigen Zeit, das viele Menschen unglücklich macht. Der Trend, Wohngemeinschaften zu gründen, vor allem in der Zeit der Familiengründung oder im Alter, macht für mich daher absolut Sinn. 

Welchen Mehrwert hat für Dich gemeinschaftliches Wohnen und was schätzt Du daran?

Zudem sehe ich persönlich viele große Vorteile: Kleinfamilien scheitern oft an Krisen, denn wird einer krank oder arbeitslos o.ä. muss das der Partner alleine tragen. Lebt man in Gemeinschaft, können viele Hände die Krise auffangen. Gemeinschaftsleben bringt gegenseitige Hilfe in vielen verschiedenen Situationen, mit den Kindern, mit Bauprojekten, mit gemeinsamem Know-How. Auch Projekte, die man alleine nicht schafft oder finanzieren kann, werden in Gemeinschaft möglich: Tierhaltung, der große Garten, eine Sauna :) …

Nicht zuletzt ist für mich auch der ökonomische und ökologische Faktor ganz wichtig! Ganz ehrlich: Braucht wirklich jeder von uns eine EIGENE komplett ausgestattete Werkstatt, einen Kinderspielplatz, so viele Küchengeräte, ein Auto,...? Ich möchte meine Sachen mit anderen teilen, so sparen wir alle Geld und tun der Umwelt gut. Gerade nach meiner großen Reise spüre ich sehr, wie der ganze Besitz mich belastet.

Was sind Deine positiven und negativen Erfahrungen in Gemeinschaft?

Insbesondere in der Kommune in Portugal habe ich viele positive Erfahrungen in Gemeinschaft gemacht. Janosch und ich habe enge Freundschaften geschlossen und Janosch hat ganz viel gelernt: malen, seine ersten Buchstaben schreiben, erste englische Worte – einfach nur dadurch, dass er die ganze Zeit mit den verschiedensten Leuten zusammen war. Das gemeinsame Kochen und Essen habe ich sehr genossen und auch die gemeinsame Arbeit. Es ist ein tolles Gefühl, zusammen Projekte zu stemmen und in verschiedenen Gesprächskreisen oder musikalischen Abenden lernt man sich auch auf persönlicher Ebene gut kennen. Hier habe ich auch meinen neuen Partner kennengelernt; zusammen mit ihm suche ich momentan eine Gemeinschaft in Deutschland.

Natürlich ist Zusammenleben nicht immer konfliktfrei. In den Familien in Skandinavien hatte ich manchmal das Problem, dass unsere Ansichten über die Kindererziehung sehr unterschiedlich waren, was den gemeinsamen Alltag erschweren konnte. Auch kann es problematisch sein, wenn eine Partei beispielsweise viel Hilfe in Anspruch nimmt oder nehmen muss aber kaum bereit ist, die anderen zu unterstützen. Eine gute Kommunikationsgrundlage und viel Vertrauen ist absolut notwendig. Als besonders hilfreich habe ich regelmäßige Gesprächskreise und Treffen empfunden, wo Wünsche und Konflikte in ritualisierter Form besprochen werden konnten

Was fehlt Dir? Was würdest Du Dir wünschen?

Schwer zu sagen. Möglicherweise einen einfacheren Zugang zu Gemeinschaften. Viele Gemeinschaften haben langwierige Annäherungs- und Aufnahmeverfahren, Kennenlern-Wochenenden kosten nicht selten viel Geld. Diese Prozedere sind zwar einerseits verständlich, praktisch aber gerade für Alleinerziehende und Familien schwierig. Kindergarten und Schule müssen oft lange im Voraus angemeldet werden, da ist es unpraktikabel, bei einem Wohnprojekt jahrelang in Annäherung zu sein, lange probewohnen zu müssen und viel Geld zu investieren, damit man VIELLEICHT aufgenommen wird.

 

Erstellt von Karin Demming | Linkedin folgen

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