»Eine Idee braucht ihren Ort« – Ein Gespräch über die Station AuGe in Berlin

13. Juni 2017 Lesezeit: Orte
Seit 1. Mai wohnt Markus Ibrom dauerhaft auf dem Wasser, mitten in Berlin und inmitten einer wachsenden Gemeinschaft. Im Interview mit bring-together erzählt er, wie es dazu kam, wie sich die Gruppe gefunden hat und wie das gemeinsame Leben aussieht.
»Eine Idee braucht ihren Ort« Station AuGe: Forschungsstation für Autarkie & Gemeinschaftlichkeit in der Rummelsburger Bucht Berlin
Station AuGe: Forschungsstation für Autarkie & Gemeinschaftlichkeit in der Rummelsburger Bucht Berlin | Foto: Markus Ibrom

Hallo Markus, Du schreibst ja schon länger für bring-together und hast momentan ein eigenes spannendes Projekt. Erzähl mal…

Eine Idee braucht ihren Ort! Das war der Satz von Helga Breuninger von der Breuninger Stiftung aus Stuttgart, mit der ich in der Vergangenheit ein Projekt entwickeln durfte. Dabei hat die Stiftung gemeinschaftssuchenden Start-Up-Uckermärkern ein wirklich großes Haus gestiftet, damit diese ihre Ideen verwirklichen können. Unsere Idee von WWG (Wohn- und WirkensGemeinschaft) und Gemilie (Gemeinschaft mit familiären Verantwortlichkeiten), der wir nun schon eine handvoll Jahre nacheifern, brauchte schlussendlich auch einen Ort, um sich zu manifestieren - damit wir, die Akteure, ins Tun kommen. Es sollte zuerst ein Haus aus Ziegel sein, dann planten wir aus Mangel an Angeboten und dem Wunsch nach Umsetzung ein Container-Haus - am Ende ist es ein Container-Schiff geworden.

 

Wie sieht das genau aus?

Auf den hier vorhandenen rund 500qm Nutzfläche und noch einmal so viel Freifläche leben wir praktisch, was wir vorher gut vorbereitet hatten. Kurz genannt “Station AuGe” - eine Forschungsstation für Autarkie & Gemeinschaftlichkeit. Mit geplanten 10 Erwachsenen und vielen Kindern erforschen wir hier an uns selbst das nachhaltige gemeinschaftliche Leben, Wirken und Wirtschaften. Wir entwickeln ein Seminar- und Kulturangebot zu den Forschungsthemen, arbeiten an gemeinsamen Projekten mit Hochschulen und Universitäten der Hauptstadt und übernehmen kommunale Verantwortung in den angrenzenden Bezirken - so weit unsere Arme eben reichen. Am 07. Oktober 2016 übernahmen wir das Schiff in unseren Besitz und wohnen seit 01. Mai 2017 dauerhaft darauf.

gemeinschaftlich Leben auf dem Hausboot
Foto: Markus Ibrom

 

Wie bist Du auf die Idee gekommen bzw. was hat Dich als Initiator gereizt auf ein Schiff zu gehen?

Im Grunde gar nichts. Das Schiff hat vielmehr uns gefunden. Niemand von uns hatte eine Affinität zum Wasser. Das änderte sich dann ziemlich plötzlich, als wir auf dem “Wrack” standen und ein Zwitterwesen aus Haus und Schiff wahrnahmen. Ein ehemaliges Jugendfreizeitzentrum, in zwei Stockwerken errichtet, lässt eher an einen ankernden Hochseetanker erinnern, als an ein Binnengewässerschiff. Ich glaube, ein Hausboot wäre nach wie vor keine Alternative für uns. Das Leben auf dem Wasser allerdings entschleunigt immens. Mit den kleinen Motorbooten, die wir hier “Dingis” nennen, können wir sowohl einen Baumarkt, als auch ein Einkaufszentrum übers Wasser erreichen. Das hat wahnsinnig viel verändert, z.B. haben wir kein Auto mehr. Diese “Schwimmende Anlage” hat uns über einen Zeitungsartikel der sogenannten “‘Spreepiraten’ - die Bewohner der Berliner Wasserwelt” gefunden. Wir haben enthusiastisch und jungfräulich an einem damals gerade ausgerufenen Bieterverfahren des Bezirkes (dem dieses Schiff gehörte) teilgenommen und überraschenderweise den Zuschlag erhalten. Wie die sprichwörtliche "Jungfrau zum Kinde" kamen wir zu unserer heutigen Forschungsstation - dem aktuellen Zuhause von 6 Erwachsenen und 2 Kindern.

 

Wie finanziert Ihr als Gemeinschaft dieses Vorhaben?

Die Station AuGe ist im Besitz der SpreeWOHNEN Genossenschaft, deren Gründungsväter und -mütter in unseren Reihen wehen. Alle natürlichen Personen sind Mieter bei der Genossenschaft. Ebenso mieten die Veranstaltungen sich “ein”, auch wenn sie von uns selbst verwirklicht werden. Das ist ein rein formelles Konstrukt. So sind die Mieteinnahmen für eine Finanzierung eine greifbare Größe und wir können auf einen komplizierten Business-Plan in einer sich ständig wandelnden Nutzung verzichten. Im Grunde ist das mit dem Schiff wie mit einer klassischen Immobilie.

 

Wie hat sich die Gruppe gefunden? Seid Ihr noch in der Anfangskonstellation?

Der Gemeinschaftsbildungsprozess war so vielfältig und bunt wie nur denkbar. Von harter Arbeit über Gemeinschaftsportale bis hin zu Empfehlungen aus dem engen Freundeskreis war alles dabei. Manche wurden von uns gefunden, andere suchten uns auf. Nichts hat sich wiederholt und nichts kam wie geplant. Alles war "komplett anders”. Das einzig Stabile bei der Findung bzw. Suche von Gemeinschaftsmitwirkenden war unsere dauerhafte Kommunikationsbreitschaft dazu. Wir ließen die Gemeinschaftsfahne stets wehen, sobald ein Wind aufkam. Alle “Gründer” sind noch im Prozess, allerdings die einen näher, die anderen ferner. Wir wachsen langsam und organisch an.

Hausbootgemeinschaft
Foto: Markus Ibrom

 

Wie wirken sich die Herausforderungen auf die Gemeinschaft aus?

Alles, was man bzw. wir in Gemeinschaftsbildungs-Seminaren, -Workshops und -Werkstätten je gelernt haben, hörte dort auf, wo die Qualität einer täglich gelebten WWG beginnt. Wir sind durch das tägliche Wirken sehr miteinander verbunden. Die Entwicklung nahm immens an Geschwindigkeit zu. Ein Gefühl von Aufgefangensein, Dazuzugehören, Sich-Entfalten-Können stellte sich recht zügig ein. Unsere entspannte wirtschaftliche Konstruktion trägt ihr Restliches dazu bei. Wir empfinden ein Gefühl, in einer Art "gesellschaftlichen Dienst" zu sein. Das ist vielmehr als z.B. einfach nur zu arbeiten oder zu studieren.  Mit der gelebten Solidargemeinschaft, also einer WWG oder einer Gemilie, ist es ein wenig so wie mit dem Verliebtsein. Du kannst Romane darüber lesen, Filme und Theaterstücke anschauen, und doch weißt Du erst, was es ist, wenn Du einmal verliebt bist.

 

Sucht Ihr noch Mitstreiter?

Ja, wir sind offen für weitere Zugänge, insbesondere mit Vorschulkindern "im Anhang”. Die Station AuGe verträgt noch ein paar Männlichkeiten und Weiblichkeiten in ihrer Mitte. Ein paar Kajüten sind noch frei…

 

Erstellt von Mary-Anne Kockel in Zusammenarbeit mit Markus Peter Ibrom www.philanthropianier.org | Linkedin folgen

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