Transition Town. Wandel und Gemeinschaft für alle

6. Januar 2017 Lesezeit: Orte
Regensburg/Bayern. Seit 2012 gibt es in Regensburg die Bewegung Transition Town. Julia Graßinger berichtet über die Anfänge und Hintergründe dieser Bewegung, wie sich der Wandel im Alltag realisiert lässt und nicht zuletzt, wie wir als Individuen daraus lernen und wachsen können.
Transition Town Regensburg – Wandel und Gemeinschaft für alle
Transition Regensburg © Transition Regensburg e. V.

Es ist mittlerweile ein paar Jahre her, da zeigte sich die Transition Bewegung das erste Mal in Regensburg. Die Vorbereitung für die Aktion haben nicht viele mitbekommen, aber die Ergebnisse waren für jeden sichtbar: bunte Blumen und Gemüsepflanzen wuchsen aus einer Reihe Tetrapacks, aufgehangen am Brückengelände,  einer sonst recht tristen Nachkriegs-Fußgängerbrücke. Links und rechts an den Enden der Brücke hingen Gießkannen an Seilen zum Herunterlassen in die Donau. Die Botschaft war klar: jede® darf mithelfen, und jede® kann was tun um seine Stadt grüner zu machen.

Aus dieser ersten Aktion heraus gründete sich die Transition Bewegung unter Leitung von Birgit Vogel und Robert Eder. Mittlerweile feiert die Bewegung in Regensburg ihren 4. Geburtstag, in 16 Gruppen engagieren sich über 200 Menschen für Partizipation und Nachhaltigkeit.

Transition Town Regensburg. Fussgängerbrücke.
Fussgängerbrücke in Regensburg © Transition Regensburg e. V.

Warum überhaupt?

Seit ein paar hundert Jahren gibt es in unserer Gesellschaft die Erzählung vom unbegrenzten Wachstum, das auf neuen Entdeckungen und Eroberungen basiert. Doch je globalisierter unsere Welt wird, desto stärker kommt die Einsicht, dass unser Verhalten weder unseren Kindern noch den Menschen in den ehemaligen Kolonien gegenüber fair ist – und dass diese Erzählung über das unbegrenzte Wachstum eben nichts ist als eine Erzählung. Transition möchte eine Welt erreichen, in der Ressourcen geschont werden, so dass genug für uns alle da ist – für unsere Enkel als auch für unsere Mitmenschen. Der Weg dahin sind kleine Veränderungen im Alltagshandeln. Es geht darum, sich zusammenzuschließen, um die Veränderungsprozesse, die auf uns zukommen, bewältigen zu können. Ein wichtiger Teil der Transition Bewegung ist die Gemeinschaftlichkeit, der Spaß an Innovation und die Freude über kleine Fortschritte. Jeder soll mitmachen können und jedes Tun darf und soll gefeiert werden.  

Transition Town Regensburg. Konzert
Konzert unter freiem Himmel © Transition Regensburg e. V.

Der Ursprung der Transition Bewegung liegt in England, in der Transition Town Totnes, die ein erstes Vorzeigebeispiel wurde, wie kleine Veränderungsprozesse eine ganze Stadt bewegen können. Hier entwickelten sich die ersten Konzepte, die dann von hunderten neuer Transition Towns über die ganze Welt hinweg adaptiert wurden.

Die Transition Town Totnes gründete sich als Reaktion auf die Peak-Oil Erwartung, die besagt, dass es einen Zeitpunkt geben wird, ab dem die Menge des geförderten Erdöls unter der Menge Erdöls liegt, die wir konsumieren, um unser tägliches Leben zu gestalten. Mittlerweile gehen wir davon aus, dass nicht nur Erdöl verknappt, sondern auch seltene Erden und andere Rohstoffe, die in unseren Konsumgütern verbraucht werden. Gleichzeitig sammelt sich der Müll, insbesondere der Plastikmüll. Und während die Menschen in Singlehaushalten in der Stadt vereinsamen, steigt langsam aber stetig die Quote psychischer Krankheiten an. Die Erkenntnis, dass es so nicht länger weitergehen kann, war essentiell für den Start von Transition.

Transition Town Regensburg. Begegnungsstätte im öffentlichen Raum
Begegnungsstätte im öffentlichen Raum © Transition Regensburg e. V.

Die Veränderungen werden kommen, wir wollen sie aber gestalten, anstatt abzuwarten

Einige der wichtigsten Ursprünge der Transition Bewegung sind folgende Erkenntnisse: Die Veränderungen können nur selbstorganisiert passieren, nicht als top-down Verordnungen. Die Menschen müssen Spaß an der Veränderung haben und sich wohl fühlen in der Unsicherheit. Wenn Ressourcen knapp werden kann man entweder darüber traurig und wütend sein, oder man freut sich darauf, enger mit seinen Nachbarn zusammenzuarbeiten, um die knappen Ressourcen kreativ einzusetzen und zu teilen.

Ein Beispiel

Der Anbau von Gemüse ist recht ressourcenintensiv. Dass sich jeder Gemüse leisten kann, gibt der Staat ein bisschen von seinen Einnahmen an die Bauern ab. Als Konsument kaufe ich manchmal mehr Gemüse, als ich brauche. Oder ich muss spontan verreisen, der Kühlschrank ist voll und ich weiß, wenn ich zurückkomme wird alles kaputt sein.

Seitdem ich die Transition Initiative in meiner Stadt kenne, habe ich einen Weg gefunden mit den überschüssigen Lebensmitteln verantwortungsvoll umzugehen: alles, was noch essbar ist gebe ich in den ‚Fair-Teiler‘ – das ist sowas wie ein öffentlicher Vorratsraum aus dem sich jeder das nehmen kann, was er gerade braucht. So trage ich dazu bei, dass weniger Ressourcen verbraucht werden. Manchmal treffe ich mich jetzt mit meinen Nachbarn, um gemeinsam aus den Resten zu kochen.  

Transition Town Regensburg. Flyer
© Transition Regensburg e. V.

Transition – Regensburg im Wandel

Seit der Pflanzaktion in Regensburg sind ein paar Jahre vergangen. Aus dem lebendigen Wachstumsprozess haben sich kleine Nachhaltigkeits-Zentren gebildet, alle getragen und unterstützt durch den neugegründeten Transition Regensburg e.V.

Als Basis aller Aktivitäten existieren einige Begegnungsorte: die Wechselwelt, die Oase und die Gemeinschaftsgärten. Verschiedene Gruppen treffen sich regelmäßig an den verschiedenen Begegnungsorten wie die Technikgruppe, die Gartengruppe und die Herz & Seele Gruppe.

Im Folgenden sollen zuerst die räumlichen Zentren vorgestellt werden:

Die Wechselwelt ist ein kleines Souterrain Ladenlokal inmitten der Altstadt – sie ist zentraler Veranstaltungsort und Zentrum der Schenkökonomie in Regensburg. Menschen, die Konsumgüter haben, die sie nicht mehr brauchen, die aber noch weiterverwendet werden können, bringen diese Güter in die Wechselwelt. Dort werden sie ausgestellt und bei Bedarf weiterverschenkt. Für den reibungslosen Ablauf stehen ehrenamtliche Ladenhelfer bereit. Der Austausch beruht dabei bewusst auf dem Schenken, nicht dem Tauschen. Der Erhalt von Gütern soll sich nach den Bedürfnissen des Einzelnen richten, und nicht nach dem, was man im Gegenzug zurückgeben kann.

Transition Town Regensburg. Wechselwelt
© Transition Regensburg e. V.

Direkt vor der Wechselwelt ist im letzten Jahr die Oase entstanden – ein Freiluft Begegnungsraum aus upgecyceltem Material, bestehend aus Sitzgelegenheiten, Hochbeeten und drei Fair-Teiler Kühlschränken für's foodsharing (Mehr Infos zu Foodsharing erfährst du hier: https://foodsharing.de/#howto ). Die Oase ist vor allem ein Symbol dafür, dass die Bürger sich den Stadtraum zurückholen und selbst gestalten können: für die Errichtung der Oase wurden zwei innerstädtische Parkplätze umgewandelt. Die Oase wird oft besucht von Menschen, die in der Innenstadt leben, aber nicht dem klassischen Konsumzwang unterliegen wollen. „Das Dorf wird wieder in die Stadt geholt.“ (Passantin, zur Oase).

Transition Town Regensburg. 24h FairTeiler
© Transition Regensburg e. V.

Weitere Begegnungsstätten in der Innenstadt sind die drei Gemeinschaftsgärten. Die Grünflächen wurden vom EBW Regensburg und der Stadt Regensburg zur Verfügung gestellt. Der Anbau von Gemüse, Kräutern und Blumen erfolgt nach Prinzipien der Permakultur und in Eigenregie der Freiwilligen, die sich in einer eigenen Gartengruppe engagieren. Die Gärten sind für jedermann zugänglich und auch die Ernte steht Passanten offen. Angebaut werden unter anderem Tomaten, Salate, Bohnen, Mangold und Kartoffeln. Unter den Kräutern findet man: Rosmarin, Oregano, Blutampfer, Ringelblumen, Löwenzahn, Zitronenmelisse und Pfefferminze.

Für alle Neueinsteiger gibt es einmal pro Monat ein gemeinsames Treffen der Gartengruppe, in der relevante Entscheidungen gefällt, Pläne geschmiedet und Ergebnisse gefeiert werden.

Transition Town Regensburg. Gemeinschaftsgärten
© Transition Regensburg e. V.

Außerhalb der physischen Begegnungsräume gibt es auch noch weitere Gruppen und regelmäßige oder unregelmäßige Aktionen für alle Mitwirkenden und Interessierten. So hat die Technologiegruppe bereits Taschenlampen aus upgecycelten LEDs und Holz gebaut. Zahlreiche Lastenräder wurden gefertigt. Das RepairCafe trifft sich alle 2 Wochen um Menschen zu helfen, ihre kaputten Elektrogeräte wieder selbst zu reparieren. Die Öffentlichkeitsarbeitsgruppe kümmert sich um den Newsletter, die Website und die Kommunikation nach außen. Der Vorstand des Vereins übernimmt wirtschaftliche und organisatorische Verantwortung, so dass die anderen Gruppen gut unterstützt werden.

So wird mit vielen kleinen Schritten an einer umweltfreundlicheren, ressourcenschonenderen Zukunft gearbeitet, gleichzeitig nachbarschaftliches Engagement verbessert und die Selbstwirksamkeit des einzelnen erhöht. Denn nur wenn die Veränderungen Spaß machen, werden sie auch nachhaltig umgesetzt.

 

Transition Town Regensburg. Maker Space
© Transition Regensburg e. V.

Innerer Wandel

„Wer glücklich ist kauft nicht!“

Auf dem Weg zum ressourcenschonenden Leben sind Projekte, die Spass machen und Nachhaltigkeit fördern, ein wichtiger Schritt. Ein weiterer Schritt ist es, im Alltag auf unnötigen Konsum zu verzichten.

Doch das ist manchmal schwierig: seit Generationen haben wir gelernt, dass wir –wenn es uns schlecht geht – einfach nur shoppen gehen müssen, um uns besser zu fühlen. Doch für ein suffizientes, sprich nachhaltiges und genügsames Leben brauchen wir neue Routinen, um mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen umzugehen.

Die vielen ehrenamtlich Engagierten übernehmen Verantwortung und zeigen Initiative – erst so können die verschiedensten Projekte umgesetzt werden. Und doch scheinen die Bemühungen im Vergleich zum Weltgeschehen nur geringen Einfluss zu haben. Dabei entsteht Frustration und Angst, den Wandel doch nicht mehr rechtzeitig zu schaffen. So fällt es manchmal schwer, mit Freude an der Transformation zur nachhaltigen Welt mitzuarbeiten.

Spezielle Techniken und Methoden des Inneren Wandels können dabei helfen, besser mit dieser Herausforderung umzugehen: Gerald Hüter spricht vom Dazugehören und persönlichem Wachstum als die zentralen Bedürnisse des Menschen. Sind diese erfüllt, werden wir glücklich und zufrieden, und glückliche Menschen konsumieren weniger und verbrauchen so auch weniger Ressourcen.

Transition Town Regensburg. Wage den inneren Wandel
© Transition Regensburg e. V.

In der Herz und Seele Gruppe von Transition Regensburg arbeiten wir mit folgenden Techniken, um den inneren Wandel – also die Veränderungen in einem selbst – zu gestalten:

Die Tiefenökologie von Joana Macy (auch genannt: die Arbeit die wieder verbindet) basiert auf buddhistischer Weltsicht. Die anschaulichen, praktischen Übungen ermöglichen es den Teilnehmern sich in Verbindung mit den eigenen Gefühlen zu setzen und damit auch die Verbundenheit mit unserer Umwelt zu erleben.

Dragon Dreaming ist eine spannende und unterhaltsame Methode, Projekte zu gestalten, die Spaß machen. Am Anfang stehen Fragen wie: was muss passieren, dass du am Ende vollkommen zufrieden bist mit dem Projekt? Dann wird in vier Phasen (Träumen, Planen, Handeln, Feiern) das Projekt co-kreativ entwickelt und umgesetzt. Das Feiern sorgt dabei dafür, dass alle Energie die die Teilnehmenden bisher eingesetzt haben wieder zu ihnen zurückkommen kann.

Es gibt verschiedene gemeinschaftsbildende Techniken, für uns hat sich vor allem das Blitzlicht aus der TZI und der Gemeinschaftsbildende Prozess nach Scott Peck bewährt. Der Wandel lässt sich nur gestalten, wenn wir gemeinschaftlich daran arbeiten. Das ist oft schwer, weil es schnell zu Missverständnissen kommt und alte Wunden uns davon abhalten zu vertrauen. Die gemeinschaftsbildenden Techniken helfen damit besser umzugehen.

Gesprächstechniken orientiert an Rogers und Rosenberg helfen ebenfalls, Konflikte zu überwinden und Vertrauen aufzubauen. Dadurch kann ein stabiles Netz geschaffen werden, in dem die Akteure des Wandels Rückhalt finden.

Transition Town Regensburg. Team
© Transition Regensburg e. V.

Diese und noch mehr Techniken und Übungen werden in der Herz- und Seele Gruppe, die sich alle 2 Wochen trifft, regelmäßig vorgestellt und eingeübt. So gestaltet sich in Regensburg durch die Methoden und Mittel der Transition Bewegung ein zunehmendes Bewusstsein für die Enkeltauglichkeit der Stadt.

Mit dem Förderantrag Klimaschutz der kurzen Wege des BMUB soll in den nächsten Jahren ein frischer Wind in die Transition Regensburg getragen werden: langfristig soll ein Transition Zentrum entstehen – ein Ort zum Ausruhen, Vernetzen und Kraft tanken für die Aktiven – und eine Anlaufstelle  für Neueinsteiger. Stadtteilmobile sollen in Zukunft helfen, verschiedenste Stadtteile zu erreichen. Ein breites Angebot an Weiterbildungen soll neues Wissen in die Stadt holen. Alles zusammen soll dazu beitragen, dass Regensburg weiterhin auf dem Weg ist, eine enkeltaugliche Stadt zu werden.

Transition Town Regensburg. Markt
© Transition Regensburg e. V.

Mitmachen

Mitmachen bei Transition kannst du nicht nur in Regensburg – es gibt auf der ganzen Welt größere oder kleinere Initiativen, die im Geiste der Transition Bewegung arbeiten.

Wenn du in Regensburg wohnst würden uns sehr freuen, wenn Du bei uns einsteigst – schau doch einfach mal auf unsere Website oder komm zu einer unserer vielen Veranstaltungen.

Falls Du nicht in Regensburg wohnst, gibt es verschiedene weitere Möglichkeiten dich zu engagieren: schau doch mal auf der Seite des Transition Netzwerks vorbei ob es eine Transition Initiative in deiner Stadt gibt.

Und nicht zuletzt kannst du einfach selbst eine Initiative gründen – geh raus, rede mit deinen Nachbarn, erzähle ihnen was dich bewegt, legt einen gemeinsamen Garten an oder fahrt zusammen einkaufen. Jeder kleine Schritt hilft.

 

Erstellt von Mary-Anne Kockel in Zusammenarbeit mit Julia Grassinger, freiberufliche Trainerin und Facilitorin | Linkedin folgen

Transition Town Regensburg. Café
© Transition Regensburg e. V.

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